Konzept für den Gröninger Hof: Dachterrasse mit Holzdeck, Bäumen und Pflanzen.
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Artikel der Ausgabe: 03 / 2024

Wohnhaus ersetzt Betonklotz

An der Katharinenkirche entstehen auf einem Parkhaus-Areal 90 Genossenschaftswohnungen

Genossenschaftsvorstand Björge Köhler vor dem ehemaligen Parkhaus in der Neuen Gröningerstraße
Genossenschaftsvorstand Björge Köhler vor dem ehemaligen Parkhaus in der Neuen Gröningerstraße. Zwischen 1963 und 2020 hatte es rund 500 parkenden Autos Platz geboten. Foto: von Savigny

Die alte Montagegrube ist ordnungsgemäß mit Brettern abgedeckt, damit nicht jemand hineinfällt. Ein Überbleibsel aus der Zeit, als hier noch Radwechsel, Auspuffreparaturen und Unterbodeninspektionen durchgeführt wurden. Heute dient die zentrale, rund 120 Quadratmeter große „Werkstatt“ im Erdgeschoss des ehemaligen „Parkhauses Katharinenkirche“ in der Neuen Gröningerstraße als Bühne für Kunst und Kultur sowie als Kreativlabor in Sachen Stadtplanung. Hier werden Plakate für Ausstellungen gedruckt und Quartiersmodelle gebastelt. Menschen kommen zusammen, um Filme zu gucken, Vorträge zu hören und um zusammen zu feiern. In drei Jahren soll dort ein siebenstöckiges Wohnhaus stehen.

Denn Grund zum Feiern haben die rund 400 Mitglieder der Genossenschaft Gröninger Hof, wie das frühere Parkhaus seit seiner Schließung und Umwidmung vor rund vier Jahren heißt: Erst vor wenigen Wochen hatte die Stadt Hamburg aus dem Quartiersfonds Fördermittel in Höhe von 500.000 Euro zur Verfügung gestellt. Schon im vergangenen Jahr hatte es 400.000 Euro aus dem Sanierungsfond gegeben. „Eine schöne Unterstützung, die zeigt, wie sehr man unsere Arbeit wertschätzt“, sagt Björge Köhler, Vorstand der Gröninger Hof eG.

Geplant ist auf dem rund 5.000 Quadratmeter großen Areal ein geradezu bahnbrechendes Projekt: Auf dem Fundament des über 60 Jahre alten Parkhauses soll bis Anfang 2027 ein siebenstöckiges Wohngebäude nach KfW-40-Standard entstehen. Laut Planung werden 90 geförderte Wohnungen gebaut, dazu Gemeinschaftsräume (Werkstatt, Waschküche, Lagerraum) sowie Flächen für Kunst und Gewerbe. Gästewohnungen und Co-Working-Spaces sollen ebenso dazugehören. Treppenhäuser und Laubengänge bestehen aus Beton, der gesamte übrige Teil aus Holz.

Ursprünglich wollten die Genossenschaftler – eine gemischte Gruppe aus Hamburgern und Norddeutschen aller Alters- und Berufsgruppen – sogar das gesamte Parkhaus „wiederverwerten“, doch ordinäres Streusalz machte diese Idee zunichte: Über die Jahrzehnte hinweg hatte das per Autoreifen ins Parkhaus hineingetragene Salz den Stahlbeton rosten lassen und auf diese Weise mürbe gemacht. Nun muss der Betonklotz doch abgerissen werden – im Frühjahr 2025 geht’s los. Die Bauplanung mit dem begrünten Innenhof bleibt jedoch exakt so bestehen: Wäre das Parkhaus weitergenutzt worden, hätte man das Atrium vom Dach aus hineingeschnitten – in beiden Fällen also eine architektonische wie auch logistische Mammutaufgabe.

Konzept für den Gröninger Hof: Dachterrasse mit Holzdeck, Bäumen und Pflanzen.
So soll der Gröninger Hof nach seiner Fertigstellung einmal aussehen (abgebildet ist der künftige Dachgarten). Grafik: Genossenschaft Gröninger Hof eG

Ergibt es denn überhaupt finanziell einen Unterschied, ob das Untergeschoss erhalten bleibt oder ob man es neu baut? „Es ist praktisch ein Nullsummenspiel“, sagt Köhler. Aber eigentlich gehe es nicht nur ums Geld, sondern um die Wertschätzung von alten Gebäuden. „Auch ein Parkhaus hat Charakter“, meint der Genossenschaftler, der von Beruf Architekt ist. „Es kann uns zum Beispiel etwas über die Epoche erzählen, in der es gebaut wurde.“ Sogar den alten Beton wollen die Bauherren – soweit möglich – in recycelter Form wiederverwerten. „Mit dem Bestand arbeiten – da wollen wir wieder hin“, so Köhler.

Rund 38 Millionen Euro soll das ungewöhnliche Projekt kosten. Geld, das zum Teil über Genossenschaftsanteile eingetrieben wird – Kostenpunkt 1.000 Euro pro Stück plus 600 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Was nach Abzug der Zuschüsse noch nicht gedeckt ist, soll fürs Erste die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit einem Darlehen übernehmen. Können die Initiatoren das wuppen? „Das klappt auf jeden Fall. Wir sind guter Dinge“, sagt Köhler.

Was behördliche Richtlinien und Vorgaben betrifft, ist die angestrebte Neunutzung nicht gerade ein Kinderspiel. Vorbilder gebe es so gut wie gar keine: „Unsere ganzen Bauordnungen sind auf Neubau ausgerichtet“, berichtet Björge Köhler. „Insofern sind wir ein Stück weit Pioniere.“ Bebauungspläne müssen geändert, Normen für Brand- und Schallschutz eingehalten werden. Auch das treibt die Baukosten nach oben. „Es wird aber bereits viel daran gearbeitet, diese Regeln zu vereinfachen“, sagt Köhler. Auch in Fachkreisen, zum Beispiel auf Architekturkongressen, komme das Thema vermehrt zur Sprache.

Aktuell hat die Genossenschaft noch zehn Wohnungen für Paare sowie für Eltern mit einem Kind zu vergeben. Auch rollstuhlgerechte Apartments sind derzeit noch frei. Die Mietkosten sollen zwischen sieben und 14,40 Euro liegen. Weitere Infos unter groeninger-hof.de

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