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Hammerbrook ist neben der City Nord der zweitgrößte Business-Standort der Stadt. Glitzernde Bürokomplexe und heruntergerockte Gewerbebetriebe prägen das Straßenbild. An den Kanälen und Fleeten gibt es als Kontrastprogramm idyllische Ecken und Grünflächen zu entdecken. Die Nähe zum Zentrum und Wasser machen den Stadtteil auch für Mieter immer interessanter. Derzeit ist das Angebot an Mietwohnungen überschaubar. Laut Statistikamt Nord wohnen in Hammerbrook aktuell gerade mal 6.709 Menschen. Da ist noch Luft nach oben.
Mit Anna Purr durch Hammerbrook.
Das findet auch Anna Purr, mit der wir uns im begrünten Innenhof der schicken neuen Quartiere Hammerleev und SonninPark verabredet haben. Auf dem dortigen Spielplatz wird heute der Geburtstag von einem Kita-Kumpel ihres Sohnes Jannis gefeiert. Vor dem Einkaufszentrum mit Supermarkt, Drogerie-Discounter und Bäcker haben ein paar Eltern einen Stand aufgebaut, an dem es Getränke, Snacks und Luftballons gibt. Bevor die Party startet, nimmt sich die 41-Jährige etwas Zeit und gewährt uns einen Einblick in das Leben im Stadtteil Hammerbrook.
Anna Purr wohnt mit ihrem Mann seit 17 Jahren in einer Genossenschaftswohnung an der Bürgerweide am äußersten Rand von Hammerbrook und ist mit dieser Wohnsituation sehr zufrieden. Ein Großteil ihres Alltags findet mitten im Stadtteil statt. Die Verwaltungsangestellte erzählt, dass sie in einem Büro in dem markanten Glaskomplex Berliner Bogen arbeitet. „Von meinem Schreibtisch aus blicke ich direkt auf den Viktoria-Kanal“, schwärmt sie von ihrem Arbeitsplatz. Jannis, der vierjährige Sohn der Familie Purr, besucht den Kindergarten auf dem Phorms Campus Hamburg an der Wendenstraße. Auch Mattis, sein elfjähriger Bruder, besuchte bereits Kita und Grundschule der bilingualen (zweisprachigen) Privatschule.
Aufgewachsen ist unsere Begleiterin eher ländlich in der Nähe von Plau am See. „Aber wenn man sich entschließt, in eine Großstadt wie Hamburg zu ziehen, ist Hammerbrook eine sehr gute Wahl“, findet Anna Purr. Der Stadtteil sei zentral gelegen mit guter Anbindung durch Busse, U- und S-Bahnstationen. Auch kulturell decken die Deichtorhallen, der Club Fundbureau an der Altländer Straße und das hinter dem Großmarktgelände fußläufig gelegene Mehr! Theater verschiedene Interessen ab. Der Hamburger Musiker Jaques Palminger bewirbt seinen beschwingten Sommersong „Ich bin kein Roboter“, den er mit dem 440 Hertz Trio im Musikbunker am Hammer Deich aufgenommen hat, auf Facebook sogar mit dem Versprechen „Zauberjazz aus Hammerbrook“.
Laut Anna Purr gibt es neben dem geringen Angebot an Mietwohnungen und viel zu vielen Baustellen kaum Kritikpunkte an Hammerbrook. Neben den bereits erwähnten Neubaugebieten bietet der Stadtteil eigentlich nur noch im Münzviertel die Möglichkeit, eine Mietwohnung in Hammerbrook zu finden. Der Name des winzigen Quartiers leitet sich von der ehemals am Münzplatz gelegenen Münzprägeanstalt „Hamburgische Münze“ ab, die 1982 nach Meiendorf verlegt wurde. Zwischen Hühnerposten, Spaldingstraße, Nagelsweg und Hauptbahnhof gibt es Kunstgalerien und Ateliers zu entdecken, ein Café, gemütliche Kneipen und Mietwohnungen in charmanten Altbauten. Die rotgeklinkerte „Münzburg“ mit dem markanten Türmchen auf dem Dach ist unübersehbar das optische Wahrzeichen des Viertels. Nach einem Blick auf die Uhr stellt Anna Purr fest, dass sie sich langsam auf den Weg zurück zum Kindergeburtstag machen muss.
Am Vera-Brittain-Ufer verabschieden wir uns von ihr und machen uns allein auf den restlichen Weg. Nur 50 Meter weiter, am Ende des Treidelpfads am Mittellandkanal, befindet sich der S-Bahnhof Hammerbrook auf einem Viadukt. Die rote Überdachung der Haltestelle ist einem fahrenden Zug nachempfunden. 2022 wurde der Bahnhof unter Denkmalschutz gestellt, da es sich um „eine in ihrer authentischen Gestaltung weit über den gängigen Zeitstandard hinausgehende Architekturleistung handelt“.
Wir steigen aber nicht in die S-Bahn, sondern gehen zu Fuß weiter in Richtung Osten, wo wir an der Ecke Süderstraße/Amsinckstraße einen Blick auf den Wohnmobil-Hafen Hamburg werfen wollen. Auch mit viel guten Willen kann man das Ambiente nicht unbedingt ansprechend nennen. Die Wohnmobile parken auf einer betonierten Fläche zwischen McDonald’s-Filiale und Jet-Tankstelle. Alle paar Minuten quietscht eine S-Bahn über die Gleise der angrenzenden Brücke. Der Preis ist allerdings unschlagbar: Pro Fahrzeug und Übernachtung kostet ein Stellplatz 35 Euro. Ein Schnäppchen im Vergleich zu den Kursen der Hotels in der Innenstadt. „Laut Stadtplan können wir von hier aus all unsere Ausflugsziele schnell erreichen“, erzählt uns ein junges Paar vom Bodensee, das am Abend zuvor angekommen ist. Der Wohnmobil-Hafen Hamburg ist allerdings bald Geschichte. Ende 2024 muss der Betreiber seine Zelte abreißen, weil die Stadt an diesem Standort andere Pläne hat.
Wir bleiben auf der Süderstraße, die wir am Verkehrsknotenpunkt Heidenkampsweg überqueren. In diesem Bereich von Hammerbrook gibt es fast keine Wohngebäude mehr. Im Zweiten Weltkrieg starteten die Briten und die US-Amerikaner am 27. Juli 1943 unter dem Codenamen „Operation Gomorrha“ eine Reihe von schweren Luftangriffen auf Hamburg. Zunächst wurden nur die westlichen Stadtteile getroffen. Der „Feuersturm“, in dessen Zentrum Hammerbrook lag, legte in der folgenden Nacht weite Teile des Ostens der Hansestadt in Schutt und Asche. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Hammerbrook zunächst als Reservefläche und Hafenerweiterungsgebiet freigehalten. Der Ausbau zum Bürostandort City Süd begann in den 1980er-Jahren. Später erkannten Stadtplaner das Potenzial des Standorts als Wohngebiet und begannen, neue Flächen wie das Areal am Sonnin-Kanal für den Bau von Eigentums- und Mietwohnungen zu erschließen.
Im Bereich nördlich des Heidenkampswegs ist von dieser Entwicklung allerdings noch nichts zu sehen. Eine Ausnahme bilden die futuristisch designten Wohnschiffe „Floating Homes“, die im Hochwasserbassin festgemacht haben. Am Ufer ragen ausschließlich Bürotürme in den Himmel. Ein Stück weiter laden die Betreiber des etwas versteckt liegenden Clubs „Südpol“ in der Süderstraße zu Partys und Konzerten ein. Im Hinterhof des von außen unscheinbaren Areals haben einige Künstler ihre Werkstätten. Ein paar Ecken weiter stehen wir in der Wendenstraße vor dem unauffälligen Eingang zur Anlage des Betriebssportverbandes Hamburg von 1983 e.V., ein beliebter Geheimtipp unter Tennisspielern. Direkt nebenan befindet sich die Berufliche Schule gewerbliche Logistik und Sicherheit, wo derzeit etwa 1.440 angehende Hafenschiffer und Fachkräfte für Lager- und Hafenlogistik ihr theoretisches Wissen vermittelt bekommen.
In diesem Teil von Hammerbrook passieren wir fast ausschließlich schmuddelige Gewerbebauten in allen Größen, Formen und Baualtersklassen. Einzig das Gebäude-Ensemble der Hamburg Distilling Company am Hammer Deich wirkt mit seiner Mischung aus Alt- und Neubau architektonisch gelungen. Ob die „Bordsteinschwalben“ vom Straßenstrich im Bereich der Süderstraße die beginnende Umstrukturierung des Stadtteils „überleben“, bleibt abzuwarten. Der Autohof an der Shell-Tankstelle, bis vor Kurzem ein beliebter Kontakthof, ist bereits geschlossen. Lediglich im „Modelle Haus“ am Hammer Deich scheint das Gewerbe noch zu florieren. Ein nagelneuer Geldautomat und ein gut gefüllter Getränkeautomat an der Hausecke lassen jedenfalls darauf schließen.
(Quellen: Statistikamt Nord, Gymnasium Ohmoor)
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