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„Einziehen und wohlfühlen: Neubau Zwei-Zimmer-Wohnung mit großzügigem Garten“. So lyrisch klingen Angebote in einem der Internetportale für Wohnungssuchende. Es folgt ein schickes Foto einer Wohnung mit weiß gestrichenen Wänden und einem Fensterblick auf eine grüne Oase. Doch dann folgt die kalte Dusche: Das „Objekt“ mit fast 60 Quadratmetern soll „kalt“ rund 1.500 Euro monatlich kosten, also etwa um die 25 Euro den Quadratmeter, die Warmmiete mit 1.750 Euro nur geringfügig mehr. Menschen mit geringem Einkommen, auch solche mit „normalem“ Einkommen, müssen draußen bleiben und weitersuchen.
„Bei Neuvermietungen werden im Schnitt in Hamburg nach einem Umzug etwa vier Euro mehr pro Quadratmeter verlangt“, stellte Dr. Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, kürzlich auf Anfrage des NDR Hamburg Journals fest. Ist also Hamburg noch bezahlbar für Durchschnittsverdiener? „Nein“, sagt Heike Sudmann, Sprecherin für Stadtentwicklung der Linksfraktion. „Wer das behauptet, ignoriert die Probleme vieler Menschen, eine leistbare Wohnung zu finden. Die zahlen ja nicht aus Jux und Dollerei überhöhte Mieten, sondern aus der Not heraus, weil sie keine günstigeren Wohnungen finden.“
Was sagt die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen? Diese verweist auf den hohen Anteil von „bezahlbaren“ Wohnungen der stadteigenen SAGA und von Wohnungsgenossenschaften: „Die großen Wohnungsbestände sozialer Vermieter in Hamburg wie den Genossenschaften oder natürlich der SAGA belaufen sich zudem auf gut 275.000 Wohnungen (Stand 2022). Die Miete beträgt hier durchschnittlich nur rund sieben Euro pro Quadratmeter.“ Doch auch der Behörde ist die Realität auf dem „freien“ Wohnungsmarkt bekannt: „Auf der anderen Seite werden auf den Vermietungsportalen Angebotsmieten für Bestandswohnungen aufgerufen, die in einem Bereich von 14 Euro und höher liegen beziehungsweise im Neubau bei rund 17 Euro und mehr. Diese Mieten sind für viele Haushalte nicht bezahlbar.“
Auch der rot-grünen Koalition war die Problematik offenbar bewusst, denn im Senatsprogramm von 2020 heißt es: „Unser gemeinsames Ziel ist es, dass sich alle Menschen das Wohnen in Hamburg leisten können. Ausreichend bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen, ist eine zentrale soziale Herausforderung, der wir uns mit aller Kraft widmen.“ Als Zielmarke hatte man sich 10.000 Wohnungen pro Jahr gesetzt. Doch dieses Ziel wurde 2023 schon nicht mehr erreicht, lediglich 5.999 Wohnungen wurden fertiggestellt.
Über die Gründe für den dramatischen Einbruch der Neubauzahlen wird seitdem heftig spekuliert und gestritten. Während die einen auf die wachsende Zinsbelastung sowie gestiegene Rohstoffpreise und Fachkräftemangel verweisen, benennen andere bürokratische Hürden für Baufirmen. Anke Frieling, Sprecherin für Stadtentwicklung der CDU-Bürgerschaftsfraktion, kritisiert: „Es kann nicht sein, dass es in Teilen Hamburgs mehr als ein Jahr dauert, bis eine Baugenehmigung erteilt wird. Die Bauprüf-ämter müssen personell besser aufgestellt werden, vor allem aber muss sich in den Ämtern eine Ermöglichungskultur etablieren. Dazu müssen dringend Baustandards gelockert und Vorteile des seriellen Bauens genutzt werden.“
Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), gibt eine einfache Erklärung: „Bauen ist einfach zu teuer geworden. Deshalb bauen Unternehmen kaum noch.“ Der VNW vertritt hauptsächlich Wohnungsgenossenschaften. Weiterhin spiele „der massive Anstieg der Baupreise, die (zeitweise) hohe Inflation und die gestiegenen Zinsen“ eine ebensolche Rolle. Breitner: „Baugenehmigungsverfahren dauern nach wie vor zu lange, die Hamburgische Bauordnung ist ein bürokratisches Monstrum.“ Auch Kay Brahmst vom Landesverband Nord des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) erklärt: „Wir müssen von den viel zu hohen Baukosten und -standards herunterkommen. Das ist der einzige Weg, um den Wohnraum zu schaffen, den wir so dringend brauchen.“
Dass bürokratische Hürden Baugenehmigungen verzögern, scheint auch den senatstragenden Regierungsparteien SPD und Grüne bewusst zu sein. In einer gemeinsamen Erklärung sprechen sich Martina Koeppen (SPD) und Olaf Duge (Grüne) für den „Gebäudetyp E“ aus, wie er bei einer Tagung der Bundesarchitektenkammer 2022 vorgestellt wurde. „E“ steht dabei für „einfach“, so Koeppen: Dieser Ansatz öffne „einen zusätzlichen Planungsweg, der innovatives, kostensenkendes und ressourcenschonendes Bauen möglich macht“. Allerdings müsse dazu zunächst der Bund tätig werden und die gesetzlichen Grundlagen schaffen.
Wann aber der „Gebäudetyp E“ Gesetzeskraft erlangt, steht noch in den Sternen. Solange müssen all jene, die auf den „freien“ Markt angewiesen sind, weiterhin annähernd Mondpreise für eine Bleibe zahlen und füllen so die Konten der Anbieter. Darauf verweist auch Dr. Rolf Bosse in seiner Kolumne „Bosses Blick“ in dieser Ausgabe des MieterJournals: In einem „angespannten Wohnungsmarkt“ ließen sich eben mit diesen horrenden Mieten entsprechende Rendite erzielen.
Daher müsse ein „Mietendeckel“ her, fordert Linkenpolitikerin Heike Sudmann: „Ein Mietendeckel schreckt auch diejenigen ab, die mit Wohnungsneubau sich langfristig überhöhte Gewinne sichern wollen.“ Darüber hinaus sei „eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit“ überfällig. Sprich: Die Stadt müsse mehr Sozialwohnungen fördern und bauen.
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