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Wie groß sollte meine Anlage sein? Was muss ich dafür ausgeben? Welchen Wechselrichter benötige ich? Wer sich mit der Anschaffung eines sogenannten Balkonkraftwerks, also einer kleinen Photovoltaik (PV)-Anlage im direkten Umfeld der eigenen (Miet-)Wohnung befasst, steht schnell vor einer großen Anzahl an technischen und anderen Fragen. Das „Okay“ des Vermieters muss eingeholt, die Anlage angemeldet werden. Und nicht zuletzt sollte man die Module so anbringen, dass sie nicht schon beim ersten Sturm davon geweht werden. Viele schrecken daher immer noch vor einer Anschaffung zurück.
Wie es auch anders gehen kann, zeigt das Beispiel einer Eigentümergemeinschaft in Ohlsdorf: Die „WDM Asset Service und Immobilien GmbH“ vermietet rund um den Kerbel- und Salbeiweg knapp 120 Wohnungen. Im Rahmen des Projekts „Solidarische Balkonkraftwerke“ haben die Vermieter in diesem Sommer 32 kleine PV-Anlagen auf dem Dach eines Gebäuderiegels installiert – und das völlig kostenlos für die Bewohner. Der Strom kostet die Mieter nur 17,5 ct/kWh, die sie als „PV-Pacht“ an den Vermieter über die Nebenkostenabrechnung zahlen. „Als wirtschaftlich stärkster Partner übernehme ich sämtliche Investitionskosten und gehe in Vorleistung. Das bedeutet für mich Vermieter-Mieter-Solidarität“, sagt Christian Warsch, Geschäftsführer der GmbH. Die Mieter hätten keine Investitionskosten, könnten aber ihren Strombezug aus dem Netz signifikant reduzieren. „Das Konzept ist messtechnisch viel weniger aufwändig als ein klassisches Mieterstromprojekt“, so Warsch weiter. „Es bringt den Mietern mehr Nutzen – und als Eigentümer muss ich nicht irgendwelche für Energieversorger gemachten bürokratischen Regeln einhalten – wie etwa die Pflicht zur Vollversorgung.“ Innerhalb von 13 bis 15 Jahren soll sich die Anlage laut Warsch amortisiert haben.
Einige technische Details zum Projekt: Jedes Balkonkraftwerk, das zwar nicht auf dem Balkon, sondern auf dem Dach steht, aber dennoch als solches gesehen wird, da jeweils nur eine Mietpartei profitiert, verfügt über vier Module, die zusammen circa 1.760 Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr liefern können. Nur zum Vergleich: Herkömmliche Eigenheim-Anlagen, die sich über ganze Hausdächer erstrecken, leisten üblicherweise zwischen 5.000 und 15.000 Kilowattstunden jährlich.
Weiterhin befindet sich auf dem Dach eine PV-Anlage mit knapp 24 Kilowatt-Peak (kWp), die künftig für den Allgemein- und den Heizstrom sorgen soll und die somit ebenfalls den Mietern zugutekommt – denn zahlen müssen diese dafür gar nichts. Eine dritte Anlage mit ebenfalls 24 kWp, was einem ungefähren Ertrag von 24.000 kWh jährlich entspricht, dient der Volleinspeisung ins Netz, deren Vergütung die Eigentümergemeinschaft erhält.
Wie lautet die Reaktion der Bewohner? „Ich finde das Projekt sehr innovativ“, sagt Mieterin Kristina Maibauer. „Wir hatten selbst schon überlegt, uns ein Balkonkraftwerk zuzulegen. Die Neuerung wird sich ganz bestimmt positiv auf unsere Stromrechnung auswirken. Auch der Umweltschutzgedanke spielt natürlich eine große Rolle.“ Auch ihr Nachbar Timo Knoche-Hauschild freut sich: „Wenn man alles selbst macht, entstehen etliche Hürden und Vorgaben. So wird einem viel Aufwand erspart!“
Bei der Hamburger Verbraucherzentrale (VZHH) rennt Christian Warsch mit seinem Projekt offene Türen ein: „Grundsätzlich finden wir das eine sehr gute Sache“, sagt Energieberater Matthias Döring, „daran kann sich jeder Vermieter und jede Eigentümergemeinschaft ein Beispiel nehmen.“ Döring weist außerdem darauf hin, dass die vier auf dem Dach angebrachten Module deutlich mehr Ertrag liefern, als ein normales, meist senkrecht montiertes Balkonkraftwerk. Die VZZH-Energieberatung ist kostenlos und findet entweder in der Zentrale an der Kirchenallee 22, zu Hause beim Interessenten oder online statt. Nötig ist nur eine Anmeldung.
Hilfe bietet auch die Webseite der Hamburger Energienetze: hamburger-energienetze.de. Dort werden unter anderem die technischen Voraussetzungen erläutert. „Werden diese eingehalten, ist es seit dem Inkrafttreten des Solarpakets 1 im Mai 2024 nicht mehr erforderlich, die steckerfertige PV-Anlage beim Netzbetreiber anzumelden“, erklärt Pressesprecher Axel Schröder. Eine Registrierung der Anlage im Marktstammdatenregister sei allerdings Pflicht.
Der Mieterverein zu Hamburg wird aktuell mit Presseanfragen zum Thema „Solidarische Balkonkraftwerke“ bombardiert. „Wir begrüßen das Projekt“, erklärt der Vorsitzende Dr. Rolf Bosse. „Insbesondere vor dem Hintergrund, dass auf diese Art und Weise die Vermieterseite deutlich macht, dass ihr sowohl die Entlastung ihrer Mieterinnen und Mieter am Herzen liegt als auch die Energiewende.“ Die prognostizierten Einsparungen seien durchaus realistisch. Ob das Beispiel Schule machen könne, müsse man jedoch abwarten. „Es kommen derzeit immer wieder Meldungen, die Eigentümer verunsichern. So und so teuer wird die energetische Sanierung, so und so teuer wird die neue Heizung – das schreckt ganz bestimmt viele davon ab, auch noch in Photovoltaik zu investieren“, so Dr. Bosse.
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