Eine gestreifte Katze läuft durch ein modernes Wohnquartier
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Artikel der Ausgabe: 01 / 2025

Ökologisch vorbildliches Quartier

Nach der Fertigstellung soll die Stellinger Mitte über rund 750 Wohnungen verfügen

Wo bis Mitte des 20. Jahrhunderts Bauern ihr Vieh weiden ließen, zerschneiden heute große Verkehrsachsen wie Kieler Straße, Sportplatzring und die Autobahn A7 den Nordwesten der Hansestadt. Ein echtes Zentrum konnte Stellingen nie entwickeln – was nicht nur am Verkehrsboom der 1960er- und 1970er-Jahre lag, sondern auch am „Groß-Hamburg-Gesetz“ und der erzwungenen Eingemeindung 1937 nach Hamburg. Mit dem Bau der „Neuen Mitte Stellingen“ soll der Stadtteil jetzt wieder ein Gesicht bekommen: Allein 141 Wohnungen sind seit 2021 zwischen Sportplatzring und Basselweg entstanden.

Das Quartier mit dem Namen „Stellinger Terrassen“ ist nach Angaben der Besitzerin, der HanseMerkur Grundvermögen (HMG), bis auf eine barrierefreie und drei „Cluster“-Wohnungen vollständig vermietet. Viele Bewohner sind an den winterlichen Nachmittagen Ende Januar noch nicht draußen anzutreffen – meist nur dann, wenn sie ihr Altpapier in einer der nigelnagelneuen und hochmodernen Sammelstationen entsorgen. Schön ruhig sei es hier, trotz des unvermeidlichen Fluglärms, sagen die neuen Anwohner. Auch die gute Verkehrsanbindung – mit dem Auto wie auch per Bus und Bahn – wird allgemein gelobt. Daneben gibt es zuweilen Kritik. „Die Heizungsanlage war am Anfang nicht ordentlich eingestellt, ein Lichtschalter war kaputt und geht immer noch nicht“, ärgert sich Marcus Pohl, Mieter seit Juni vergangenen Jahres. Insgesamt habe die Hausverwaltung auf seine Anliegen nur „sehr träge“ reagiert. „Ich bin sowohl zufrieden als auch unzufrieden“, sagt Pohl. Für eine Übergangszeit sei der Standort aber okay.

Viele der Mieter sind offenbar des Jobs wegen nach Hamburg gekommen – häufig auch aus dem Ausland. „Very quiet neighbourhood“, findet ein junger Mann, Verpackungsingenieur aus Brasilien, der lieber ungenannt bleiben möchte. Auch das Carsharing-Angebot sei gut ausgebaut. Familie Erden stammt aus der Türkei, beide Elternteile haben in der Hansestadt Arbeit gefunden. „Sehr nette, sympathische Nachbarschaft“, sagen sie anerkennend.

Ganz billig ist die Kaltmiete in den „Stellinger Terrassen“ nicht: Von rund 20 Euro pro Quadratmeter berichten die Anwohner. Dafür sind die Wohnungen (zwei bis fünf Zimmer) nicht nur mit Einbauküche, sondern auch mit Geschirrspüler, Kühl- und Gefrierschrank sowie Eichenparkett ausgestattet. Bodentiefe Fenster erlauben den Blick in einen Innenhof mit Grünflächen, Sitzgelegenheiten und Sandkästen. Einige bemängeln aus dem Grund die fehlende Privatsphäre: Wo man gut rausgucken könne, ließe es sich ebenso leicht hineinsehen, lautet die Argumentation.

HMG-Sprecher Manfred Riemann mag das allerdings nicht gelten lassen. Die Außenplanung sei Teil der Bauantragsplanung gewesen und genauso genehmigt worden, sagt er, „der eine wird dieses Konzept einer lebendigen Wohnanlage schätzen, der andere mag es hin und wieder auch als störend empfinden“. Zum Thema „Was alles nicht funktioniert“ (weitere Mieter berichteten von temporär kaputten Steckdosen und mangelhaften Dichtungen) sagt Riemann: „Bei einem Neubauquartier mit der großen Anzahl von 141 Mietwohnungen, die zeitgleich bezogen werden, gibt es in der Regel einigen Nachbesserungsbedarf, der schnellstmöglich sukzessive abgearbeitet wird. Leider gab es in dem Zeitraum Krankheitsfälle bei der Hausverwaltung, die zu einer Verzögerung geführt haben.“

Auffällig an den Stellinger Terrassen ist der Kontrast zwischen den dunklen Backsteinwänden außen und dem ganz in weiß gehaltenen Innenhof. Auf die Weise soll unter anderem ein sommerlicher Hitzestau vermieden werden. Auch in weiterer Hinsicht muss man das Bauprojekt wohl als ökologisch vorbildlich bezeichnen: So wurde etwa ein Blockheizkraftwerk (BHKW) installiert, das Strom und Wärme erzeugt. Aktuell wird es mit Gas betrieben, perspektivisch kann laut Anbieter, den Hamburger Energiewerken (HEnW), auf Wasserstoff umgestellt werden.

Weiterhin gibt es eine Wärmepumpe, die durch Erdwärmesonden sowie Abluft vom BHKW und durch die Abluft der Gebäude gespeist wird. Zum Zweck der Erdwärmenutzung wurden elf Löcher in die Tiefe gebohrt und mit Wärmeträgern (Erdwärmesonden) bestückt. In diesem Fall wird die Energie aus Erdschichten bezogen, die rund rund 35 Meter unterhalb der Erdoberfläche liegen.

Auf den Dächern befindet sich eine Fotovoltaikanlage mit einer Leistung von knapp 30 kWpeak, die die Bewohner mit günstigem und umweltfreundlichen „Quartiersstrom“ versorgt. Mit der PV-Anlage verbunden sind darüber hinaus 24 der quartierseigenen Parkplätze – mittelfristig soll sogar jeder Stellplatz eine Lademöglichkeit („Wallbox“) bekommen. Weiterhin existieren vier „Switch-Parkplätze“ vom HVV – dazu gehört etwa das Carsharing.

Laut Auskunft der Energiewerke setzt das Unternehmen neben dem Ausbau des Fernwärmenetzes auch auf dezentrale Quartierslösungen. „Dabei gibt es zwei Möglichkeiten“, erklärt HEnW-Sprecherin Friederike Grönemeyer. „Wir übernehmen ein Quartier, wo bereits eine dezentrale Wärmeversorgung existiert, und schauen, wie wir dieses Konzept überarbeiten oder modernisieren können.“ Die Lösungen seien dabei sehr individuell und abhängig davon, was bereits vorher existiert habe. „Die andere Möglichkeit: Wir entwickeln für ein neu entstehendes Quartier eine Energielösung und planen hier individuell die Versorgung. Ein Beispiel hierfür ist die Neue Mitte Stellingen“, so Grönemeyer. Laut HEnW strebt das Quartier den Passivhausstandard, den KfW-40-Standard und eine DGNB-Gold-Zertifizierung an. DGNB steht für „Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen“.

Sobald sie einmal ganz fertig ist, soll die „Neue Mitte Stellingen“ rund 750 Wohnungen umfassen. Ein weiteres Fünftel davon, nämlich 153, hat kürzlich die städtische SAGA auf einem Baufeld nordwestlich der Stellinger Terrassen fertiggestellt. Die Nettokaltmiete für die öffentlich geförderten Wohnungen beträgt hier laut SAGA 6,90 Euro pro Quadratmeter. „Bereits Anfang Februar 2025 konnten wir die ersten 71 Wohnungen an die neuen Mieterinnen und Mieter übergeben. Weitere 82 Wohnungen werden im kommenden Monat bezugsfertig sein“, berichtet SAGA-Sprecher Gunnar Gläser. Zu den übrigen Bauinvestoren der Stellinger Mitte zählen der Konzern Vonovia, der österreichische Projektentwickler Buwog und der Bauverein der Elbgemeinden.

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