Lesezeit ca. 5 Minuten
Artikel der Ausgabe: 03 / 2024

„Die Investitionen sind enorm hoch“

Interview Marko Lohmann, Vorstand der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Bergedorf-Bille

Portraitaufnahme von Marko Lohmann, Vorstand der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Bergedorf-Bille
Marko Lohmann ist Vorstand der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Bergedorf-Bille. Foto: Bergedorf-Bille Baugenossenschaft

Über das auch für Wohnungsbaugenossenschaften heikle Thema Energetische Sanierung sprach MJ-Redakteur Volker Stahl mit dem Vorstandschef der Bergedorf-Bille.

Hamburg soll bis zum Jahr 2045 klimaneutral sein. Was bedeutet das für Ihre Genossenschaft?

Die klimapolitischen Vorgaben sind sehr ambitioniert. Wir teilen die meisten der fernen Ziele, kritisieren zugleich einzelne Vorgaben auf dem Weg dorthin. Auch viele unserer Mitglieder halten das Fernziel grundsätzlich für richtig und notwendig. Zugleich wird es aus heutiger Sicht ein sehr großer Kraftakt für alle Beteiligten, sowohl für die Mitglieder, die bei uns wohnen, für unsere Genossenschaft und für die staatlichen Haushalte. Denn beim bisherigen Stand von widersprüchlichen Vorgaben, verfügbarer Technik und Baumaßnahmen kostet die Erreichung der Ziele uns alle sehr viel Geld. Wenn die CO2-Preise wie angekündigt steigen werden, werden sich alle unsere Investitionen sehr langfristig rechnen. Auf kurze und mittlere Sicht kostet es zumindest bei uns zunächst für alle Beteiligten mehr.

Im Quartier Billwiese wird Erdwärme als regenerative Energiequelle genutzt – ist das bei den anderen Wohnanlagen auch möglich?

Wir haben gelernt, dass es darauf leider keine pauschalen Antworten gibt. Genau diese monoenergetische Form passt bislang auf kein anderes Quartier in unserem Mehrfamilienhausbestand. Teillösungen wenden wir nun auch anderenorts an. Auf dem dortigen Spielplatz können die Bodenschichten anders sein, sodass nicht tief genug gebohrt werden darf. Oder uns fehlt in innerstädtischen Lagen der Platz, sodass wir auf Luft-Wärmepumpen ausweichen. Oder wenn Fernwärme erreichbar ist und uns der Fernwärmeanbieter verlässlich erscheint, dann prüfen wir das mit Vorrang. Da das Warmwasser im Quartier Billwiese dezentral mit Durchlauferhitzern erzeugt wird, können wir niedrigere Systemtemperaturen nutzen als bei Quartieren mit zentraler Warmwasseranlage. So kann die Wärmepumpe hier besonders effizient betrieben werden.

Die Investitionskosten an der Billwiese haben sich erst nach 25 bis 30 Jahren amortisiert, das hört sich nicht sexy an …

Wir konnten zwar noch sehr hohe Fördermittel nutzen. Doch ohne unsere Bereitschaft zu betriebswirtschaftlichen Abstrichen und zur Inkaufnahme langfristiger Risiken bei so einem Pilotprojekt wären uns die Gesamtkosten zu hoch gewesen. Die modernisierungsbedingte Umlage auf die Nutzungsentgelte in den Wohnungen haben wir so begrenzt, wie es inzwischen gesetzlich vorgeschrieben ist. Wir werden erst nach Jahrzehnten wissen, ob die neuen Wärmepumpen auch wirklich so lange ohne Havarie halten, wie es die Planung bei guter Wartung verspricht. Aus Sicht der Mieterinnen und Mieter wird sich noch zeigen müssen, wie hoch die Heizkosten später in anderen vergleichbaren Quartieren sind, die nicht so früh auf regenerative Energieversorgung umgestellt werden konnten.

Das Genossenschaftsgesetz erwartet von Ihnen als Vorstand, dass Sie Ihre Entscheidungen zum Wohle der Genossenschaft treffen. Was tun Sie, um Neubau und Sanierung bezahlbar zu machen?

Wir holen für die inzwischen komplex gewordenen Einzelthemen viel Fachverstand ein, um Reduzierungen von Kosten zu erzielen. Beispielsweise prüfen und erproben wir andere Bauweisen mit modularen Elementen oder anderen Baustoffen wie Holz. Dabei behalten wir auch die langfristigen Folgekosten unserer Investitionen im Blick. So sind wir für energetische Quartierskonzepte wie in der Billwiese zu Experten geworden und teilen unser Wissen mit anderen Interessierten. Umgekehrt erproben andere Vermieter abweichende Konzepte und lassen uns an ihren Erfahrungen teilhaben. Vor allem setzen wir uns weiter nach Kräften im Rahmen des Bündnisses für das Wohnen in Hamburg dafür ein, gemeinsam mit verschiedenen politischen und Verwaltungsebenen sowie gerne auch mit dem Mieterverein zu Hamburg die derzeit schwierigen Rahmenbedingungen für wohnungswirtschaftliche Investitionen zu verbessern. Da gibt es inzwischen viele gemeinsame Lösungsansätze. Nun drängen wir darauf, dass viele der Erleichterungen auch umgesetzt werden dürfen. Und wir bauen darauf, dass durch den anstehenden Wahlkampf bitte keine neuen Auflagen, Einschränkungen oder gegenseitige Anfeindungen hinzukommen.

Ist die Höhe der Fördergelder ausreichend?

Die Förderangebote der Investitions- und Förderbank Hamburg sind sehr vielseitig und im Bundesvergleich ausgesprochen fair und stabil. Sie werden gut angenommen. Doch es könnte und müsste ein Vielfaches der Mittel auch von anderen Vermietern in Hamburg genutzt werden, um die Ziele zu erreichen. Seit mehr als zwei Jahren fehlt uns die frühere Verlässlichkeit von ergänzenden Fördermitteln der Bundesebene. Die Investitionen bis zu den Klimaschutzzielen 2045 sind aus heutiger Sicht enorm hoch, sodass vor allem die Mieterinnen und Mieter auf langfristig verlässliche Fördergelder angewiesen sind. Sollten spätere staatliche Haushalte die Förderung reduzieren müssen, so erhöhen sich die finanziellen Anteile von Mieterinnen, Mietern und Vermietern logischerweise weiter. Auch aus dem Grund investieren zumindest wir derzeit mit voller Kraft und am Rande unserer eigenen Kapazitäten.

Welche Quartiere werden folgen?

Mit ähnlichen Konzepten wie an der Billwiese investieren wir derzeit auch in Hamburg-Lohbrügge am Dünenweg und in Hamburg-Neuallermöhe am Fanny-Lewald-Ring. Weitere große Bergedorfer Quartiere wie Wiesnerring und Bergedorf-West sind in Planung für hohe Investitionen der nächsten Jahre. In diesem Zuge untersuchen wir neben den energetischen Aspekten, inwieweit auch andere bauliche oder soziale Entwicklungen in den Quartieren kombiniert werden sollten. Mal fehlt ein barrierefreies Wohnangebot, um auch später mit Rollator gut im gleichen Quartier bleiben zu können. Mal fehlen gemeinschaftliche Wohnalternativen, mal ergänzende soziale Einrichtungen in unmittelbarer Nähe oder mal sollen in den Freiflächen mehr Qualitäten geschaffen werden. Wenn die eine oder andere ergänzende Bebauung für die Gemeinschaft einen Mehrwert bietet, so soll das frühzeitig mitgedacht und auch mit den Menschen vor Ort diskutiert werden. Mehr regenerative Energien sind also nur ein Teil der anstehenden Investitionen in unsere Quartiere.

Ihre Meinung zählt!

Schicken Sie uns Ihr Feedback zu unseren Artikeln, Themenideen oder Hinweise per E-Mail an briefe@mieterjournal.de – wir freuen uns auf Ihre Ideen und Vorschläge!