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Artikel der Ausgabe: 04 / 2024

Bosses Blick

Portrait von Rolf Bosse

Das Kreuz an der richtigen Stelle machen!

Bundestags- und Bürgerschaftswahl: Neuer Schwung im Wohnungsbau?

„Initiative kostenreduziertes Bauen“ lautet ein Projekt unserer Stadtentwicklungsbehörde, das seit Anfang des Jahres läuft. Es werden vor allem Architekten und Ingenieure und sonstige am Bau Beteiligte sowie Angehörige der Wohnungswirtschaft eingeladen. Die schauen dann in Workshops, inwieweit unser bestehendes Baurecht entschlackt und technische Ausführungsvorgaben vereinfacht werden können. Ziel ist, sowohl den Prozess des Neubaus sowie der Sanierung zu beschleunigen als auch den Materialaufwand zu reduzieren.

Ich darf für den Mieterverein zu Hamburg an dieser Initiative teilnehmen und mich im Interesse derjenigen, die am Ende in den so entstandenen Neubauten wohnen sollen, einbringen. Das ist nicht nur interessant – ich denke auch, dass es etwas bringt. Allerdings, so wurde mir in einer Sitzung des Plenums verdeutlicht, könnten solcherlei Einsparmaßnahmen zu einer maximalen Reduktion der Neuvermietungsmiete um zwei Euro je Quadratmeter führen. Das ist nicht wirklich eine Entlastung bei 21 Euro pro Quadratmeter aktueller Neuvermietungsmiete.

Um nicht missverstanden zu werden: Unserer Stadtentwicklungsbehörde gebührt große Anerkennung für ihr Bemühen, Neubau und Klimasanierung in Gang zu bringen. Trotzdem: Es muss weitere Stellschrauben geben, die dazu beitragen, dass Wohnen günstiger wird. Auch an diese muss unsere Stadtentwicklungsbehörde ran. Angesichts von Bauprojekten, in denen studentisches Wohnen für sage und schreibe 77 Euro pro Quadratmeter kalt angeboten wird, glaube ich: Da geht noch was! Es geht nämlich weniger um die Frage, wie gebaut wird, sondern: wer baut? Der Unterschied in den Kosten der Vermietung ergibt sich aus der jeweiligen Berechnung der Finanzierung der realen Kosten sowie der Gewinnmarge des Bauträgers nebst der Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital. Wenn sich, wie vor 2021 üblich, der Bauträger 15 bis 25 Prozent Aufschlag auf die Gesamtkosten als Gewinn gönnt, schießen Neuvermietungsmieten durch die Decke. Solche Margen sind mittlerweile nicht mehr möglich und das ist der Grund für den Einbruch im Neubau. Hieraus folgt: Um den Wohnungsbau in Schwung zu bringen, müssen wir andere Akteure für die Projekte begeistern: Akteure, die die Kosten der Miete anders berechnen als die auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Wohnungswirtschaft.

Und wo nehmen wir die her? Aus dem kommunalen und gemeinnützigen Bestand! Wobei, gemeinnützig, das ist so ein Begriff. Ein rechtlicher Rahmen, der 1990 abgeschafft wurde und jetzt von der scheidenden Bundesregierung wiederbelebt werden sollte. Zusammengestrichen auf Wunsch der Lobby der Wohnungsverbände und ignoriert von den Wohnungsunternehmen, selbst von Genossenschaften! Ich durfte im September hautnah erleben, wie das läuft. Die SPD lud ein zur „Fraktion im Dialog“ in den Bundestag. Thema waren Wohnungsgenossenschaften und ihre Rolle bei der Lösung der Wohnungsnot. Statt einer Vision für gemeinnütziges und damit bezahlbares Wohnen forderten die anwesenden Vertreterinnen zweier Genossenschaften unisono mit dem Vertreter des Gesamtverbands der Wohnungswirtschaft mehr Förderung, weniger Standards und billige Grundstücke. „Was ist eure Gegenleistung“, fragte ich. Keine Antwort! Angesichts solcher Ratgeber kann ich nachvollziehen, dass die Politik bei der Umsetzung gemeinnütziger Vorgaben für den Wohnungsmarkt zögerlich ist. Wer im tiefsten Herzen glaubt, das Richtige zu tun, indem er den Wirkkräften des Markts die Lösung der Wohnungsfrage überlässt, reagiert beleidigt, wenn ihm Kritik entgegenschlägt. Diese Emotionalisierung einer Debatte, bei der es doch um die Sache gehen sollte, um den „Zwang des besseren Arguments“, so der Philosoph Jürgen Habermas, steht uns im Weg. Wir müssen Sie überwinden.

In diesem Sinn möchte ich Ihnen hier meine ganz persönliche Methode verraten, mich bei den Wahlen zu Bundestag und Bürgerschaft zu entscheiden. Ich frage mich: Wer nutzt die Emotion, um dem Diskurs in seinem Interesse eine bestimmte Richtung zu geben? Wer eskaliert Sachfragen und skandalisiert das Widerwort? Den wähle ich nicht. Stattdessen wähle ich diejenigen, die mir mit Sachgründen rational erklären, wohin der Weg in die beste Zukunft für die meisten Menschen führen soll. Dabei erwarte ich, dass es kein einfacher Weg sein wird. Denn die Zeiten sind es auch nicht. Wir alle sollten uns gut überlegen, wo wir unser Kreuz im Frühjahr auf dem Wahlzettel machen. Viel hängt davon ab, ob der bezahlbare Wohnungsbau in Schwung kommt.

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