Die Köhlbrandbrücke in der Abenddämmerung mit Hamburger Hafenkränen im Hintergrund
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Artikel der Ausgabe: 04 / 2024

Buchtipp: Köhlbrandbrücke – Jubiläum im Schatten der Abrissbirne

Buchcover von Frank Hofmann: Hamburgs Köhlbrandbrücke: Geschichte und Geschichten, Ellert & Richter Verlag
Frank Hofmann: Hamburgs Köhlbrandbrücke: Geschichte und Geschichten, Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2024, 184 Seiten, 25 Euro

Die Köhlbrandbrücke – ein Hamburger Wahrzeichen vor dem Aus! Dieses Buch erzählt ihre faszinierende Geschichte, von kühner Konstruktion bis zum drohenden Abriss. Mit spannenden Fakten und seltenen Bildern!

Gerade mal 50 Jahre hat die 3.618 Meter lange Mammutbrücke auf dem Buckel – für ein Bauwerk eigentlich ein Klacks. Ursprünglich ging man von einer Beständigkeit von hundert Jahren aus, doch daraus wird nichts. Bis zu 40.000 Fahrzeuge brettern Tag für Tag über den Köhlbrand. Die Flut an Lastwagen hat zu raschem Verschleiß geführt, hinzu kommen stetig wachsende Containerschiffe, die Durchfahrtshöhe von 53 Metern reicht nicht mehr. Das Ende des Bauwerks ist besiegelt, das Entsetzen groß, denn die Hamburger lieben ihre Köhlbrandbrücke wie den Michel und die Elphi!

Das vorliegende Buch beleuchtet die Bauhistorie der einzigartigen Konstruktion und sorgt mit bunten Geschichten und Bildern dafür, dass ein bald verlorenes Wahrzeichen unvergessen bleibt. Das Buch startet mit der Geschichte der festen Elbquerungen, die mit dem Bau der sogenannten „Teufelsbrücke“ 1813 ihren Anfang nahm. Die abenteuerliche Holzkonstruktion wurde von Napoleon während der „Franzosenzeit“ zu Kriegszwecken in Auftrag gegeben und verlief über etwa acht Kilometer vom Harburger Schloss bis zum Brooktor. Die Bauzeit betrug ganze 100 Tage! Allerdings hielt der rasch vermodernde Holzweg nur wenige Jahre. 1818 wurde die Brücke wieder abgerissen. Erst 1872 entstanden durchgehende Verkehrsverbindungen mit festen Brücken über die großen Elbarme.

Die Querung von Waltershof nach Steinwerder wurde bis zum Bau der Köhlbrandbrücke mit kombinierten Auto- und Eisenbahnfähren – Trajekt genannt – bedient. Die wie Riesenspinnen aussehenden Kolosse boten Platz für sechs Güterwaggons und einige Autos. Ende der 1960er-Jahre war dieser Verkehrsweg heillos überlastet. Eine neue Lösung musste her. Die Frage war: Tunnel oder Brücke? Man entschied sich für die oberirdische Variante, obwohl im Nachhinein ein Tunnel wegen dessen längerer Lebensdauer die günstigere Lösung geworden wäre.

Der Architekt Egon Jux siegte mit seinem „technisch, wirtschaftlich und ästhetisch optimalen“ Entwurf. Der Bau dauerte vier Jahre und verschlang 160 Millionen DM. Detailreich beschreibt der Autor die anspruchsvolle Konstruktion – von Rammpfählen in den Schlickboden der Elbe bis zum Aufsetzen der hundert Meter langen Pylone in schwindelnder Höhe. Zur Einweihung am 20. September 1974 strömten die Hamburger in Massen. Es gab ein ausgelassenes Volksfest. Das ikonische Bauwerk galt alsbald nicht nur als nützlich, sondern als Bereicherung für das Stadtbild.

Wo Licht ist, da ist auch Schatten: Für die Siedlung Neuhof bedeutete der Bau der Köhlbrandbrücke das Aus! Die 1910 zwischen Köhlbrand und Freihafenstraße errichteten Wohnblöcke boten mit den engen Unterkünften und Etagenklos zwar keinen Komfort, doch die dort lebenden 3.000 Menschen pflegten ein reges Stadtteilleben mit gutem Zusammenhalt. Es gab den Sportverein FTSV Neuhof, ein Kino, Gesangs- und Sparvereine sowie eine beliebte Schankwirtschaft. Jeder kannte jeden. „Wir hatten den schönsten Badestrand Hamburgs, eine Fährverbindung in die Stadt und eine gute Infrastruktur“, berichtet der ehemalige Wirt Willi Adomeit wehmütig. Der Brückenbau fraß Flächen für Kleingärten und Gewerbe und schränkte damit die ohnehin niedrige Wohnqualität weiter ein. Ausweichflächen gab es keine. Das Hochwasser 1976 besiegelte das endgültige Ende des Quartiers, 1979 kam die Abrissbirne.

Weitere Kapitel befassen sich mit der kostspieligen Instandhaltung, dem Denkmalschutz und mit der Brücke als Ort für Events, Protest und Kunst. Thematisiert wird auch die Nachfolgebrücke, die 20 Meter höher und 1,3 Kilometer länger als ihre beliebte Vorgängerin sein wird.

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