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Artikel der Ausgabe: 01 / 2025

Bosses Blick

Portrait von Rolf Bosse

Mehr Respekt wagen!

Nach den Wahlen: Der politische Diskurs muss sachlicher werden

Die Art, wie gesellschaftliche und politische Diskurse derzeit geführt werden, macht es schwer, ausgewogene Lösungen im Konsens zu finden. Das ist neben den Sachthemen die größte Herausforderung für die neue Bundes- und Hamburger Landesregierung.

„Flood the zone“ – diese vor allem in den USA bekannt gewordene Strategie zielt darauf ab, durch immer neue, spektakuläre Nachrichten eine mediale Reizüberflutung herbeizuführen, um dann, vorbei an der abgelenkten Öffentlichkeit, die eigentlichen Pläne ohne Erregung von Aufmerksamkeit oder Protest umzusetzen. Dabei wird eine uns allen innewohnende psychologische Eigenschaft ausgenutzt: Wir lassen uns durch emotionale Botschaften ablenken. Sie bringen uns ab von der Sachebene, auf der Probleme gelöst werden müssen.

Dass die Menschen derzeit von vielen Themen bewegt werden, die Aufregungspotenzial haben, wurde im Wahlkampf deutlich. Dass die Wohnkosten in den Ballungsräumen für immer mehr Menschen ein Problem werden, gehörte allerdings nicht dazu. Zumindest wurden Themen rund um die Miete nicht so hochgejazzt wie andere. Natürlich: Die wirtschaftlichen Grundlagen unseres Wohlstands und unserer inneren und äußeren Sicherheit sind wichtig. Und doch verwundert es, dass die Frage, wie wir in Zukunft unsere Wohnungen bezahlen sollen, ein solches Nischendasein fristen musste. Geht es uns insgesamt noch zu gut? 85 Prozent der Hamburger Haushalte sind laut einer Studie mit ihrer Wohnsituation zufrieden. Doch zugleich haben 160.000 Haushalte richtig Stress mit ihrer Wohnsituation und müssten dringend umziehen. Zu wenige oder zu wenig einflussreiche Betroffene, wie es scheint.

Andererseits: Die „großen“ Themen dieses Wahlkampfs waren Gegenstand heftiger Debatten und wurden nicht immer faktenbasiert geführt. Sondern emotional, weil die Akteure um die Mobilisierungskraft der Empörung wissen. Das birgt Risiken. Wird der Bogen überspannt, wird die Auseinandersetzung zum Konflikt, der Vertrauen zerstört und Zusammenarbeit unmöglich macht. Grundlage des politischen Diskurses sollte deshalb Respekt vor der anderen Meinung sein. Das zeichnet eine Demokratie aus.

Der vergangene Wahlkampf war kein Musterbeispiel dafür, wie es laufen sollte. Der Mechanismus von Aufmerksamkeit und Emotion kam reichlich zur Anwendung. Ich bezweifle, dass er uns in der Sache weitergebracht hat. Viel Porzellan wurde zerschlagen. Das wiederum hat das Vertrauen der Bevölkerung geschwächt in die Kompromissfähigkeit derer, die die wichtigen Entscheidungen für unsere Zukunft treffen müssen. In Berlin ist der Schaden größer als in Hamburg. Es ist die Aufgabe unserer nächsten Regierungen, dieses Vertrauen wiederherzustellen. Zudem müssen sie, um den sozialen Frieden zu wahren, Antworten auf die Krise des Wohnungsmarkts finden. Das klappt am besten im respektvollen, ruhigen und sachlichen Umgang miteinander.

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